Die letzten Jahre sind nicht spurlos an
Armenien vorübergegangen. Es waren jedoch nicht nur die Feierlichkeiten
anläßlich der 1700 Jahre armenischen Christentums, die im Jahre 2001
viele Gäste angezogen und dafür gesorgt haben, dass das kleine schroffe
Land jenseits des Kaukasus auch in der großen weiten Welt bekannt wurde
und so manche berühmte Persönlichkeit Armenien besuchte. Die Armenier
mögen durch das Jubiläumsjahr nicht nur eine Wiederbelebung ihrer christlichen
Kirchentradition und -kultur erfahren haben, vermutlich hat das Jubiläumsjahr
auch dazu beigetragen, das kulturelle Selbstbewusstsein der jungen armenischen
Generation zu stärken.
Jerevan - Von der Festung zur Großstadt
Jerevan liegt an den Ufern des Flusses
Hrazdan auf etwa 950 bis 1200 Metern Seehöhe. Aus der kleinen, anmutenden
Stadt mit engen, gepflasterten Gassen und offenen Rinnsalen, die Jerevan
noch im 19. Jahrhundert gewesen war, entwickelte sich im Laufe des 20.
Jahrhunderts eine Millionenstadt mit riesigen, betongrauen trostlosen
Satelllitensiedlungen, im Bezirk Nor Norkh etwa oder auch in dem im
Westen gelegenen Bangladesch, dessen Name nicht von ungefähr kommt.
Während der großen Wirtschaftskrise mit ihrem Strommangel gegen Mitte
der 90er Jahre Jerevan nächstens in eine unheimliche, dunkle Stadt mit
herumlaufenden wilden Hunden verwandelte, brachte der kleine Wirtschaftsaufschwung
und die Öffnung zum Westen bunte Leuchtreklamen, eine ganze Reihe kleiner
Gaststätten, schillernder Spielhöllen, aber auch durchaus moderne Geschäfte
ans Tageslicht, die das ehemalige, etwas grau geduckte Stadtbild zwar
wesentlich bunter und aufregender gestalten, aber genauer betrachtet,
das alte, orientalische Jerevan langsam verschwinden lassen. Die Gründung
dieser Stadt geht auf den urartäischen König Argischti I. zurück, der
im Jahre 782 eine Festung namens Erebuni auf dem südöstlich gelegenen
Hügel Arin-Berd errichten ließ. Erebuni ist somit auch der historische
Name der Stadt Jerevan, der vermutlich mit der urartäischen Göttin Airubani
in Verbindung zu bringen ist, auch wenn armenische Zungen behaupten,
dass der Name Jerevans auf den Ausruf Noahs zurückgehen soll, als er
die Siedlung gesehen haben soll, denn volksetymologisch wird das Wort
Jerevan mit dem Wort für sichtbar sein, gesehen werden in Verbindung
gebracht. Erebuni verlor jedoch mit der Machtübernahme der Meder und
nachfolgender iranischer Herrscher an Bedeutung und gab seine Machtposition
als Königsstadt an Artschat und Dvin weiter.
Die Provinz Armavir
Armavir, das ist die Provinz im Ararattal, die durch die Fluten des
Arax von der Türkei getrennt wird. Ein historisches Land mit vielen
prähistorischen Stätten wie Metsamor, ein historisches Land, das als
Ebene immer strategisch von verschiedenen Völkern wie den Urartäern
in Argischtihinili genutzt worden war, auf dem viele bedeutende Schlachten
wie jene gegen die Türken in Sardarapat ausgetragen wurden. Ein Landstrich,
der wie kein anderer ganz im Zeichen des Christentums steht, hier ist
das Christentum einst entstanden und hier liegt in Vagharschapat auch
das Zentrum des armenischen Christentums. Hier im breiten, trockenen
Tal haben die ersten Christen ihren Märtyrertod gefunden, haben später
dann die christlichen Führer des Landes die alten heidnischen Kultstätten
erbarmungslos geschliffen.
Der Norden - Die Provinz Schirak
Schirak heißt jener Landesteil Armeniens, der durch die tiefe Schlucht
des Achurjan von der Türkei und den ehemaligen wichtigen Siedlungsgebieten
Westarmeniens getrennt wird. Schirak liegt an der Ostseite des Aragats
und ist zum Großteil eine große Hochebene, die schon zu Urzeiten besiedelt
war. In dieser Provinz liegt auch die zweitgrößte Stadt Armeniens, Gjumri,
sowie einige bedeutende Stätten aus der Frühzeit, der großen feudalen
Zeit Armeniens, und einige der bedeutenden Kirchen und Klöster. In den
Bergen Schiraks wird schon seit Jahrtausenden der weiche Tuff und der
bröselige Bimsstein abgebaut, was dazu beigetragen hat, daß viele alte
Handelswege die Schiraker Hochebene wie ein fein gesponnenes Netz durchziehen.
Der Süden - Die Provinz Ararat
"Ich trat aus dem Zelt in die frische Morgenluft hinaus. Die Sonne
ging gerade auf. Am klaren Himmel schimmerte ein zweihäuptiger Schneeberg.
Was ist das für ein Berg? fragte ich mich streckend, und vernahm zur
Antwort: Der Ararat. Wie stark ist doch die Wirkung von Lauten! Geradezu
gierig blickte ich den biblischen Berg an und glaubte die Arche zu sehen,
die an seinem Gipfel in der Hoffnung der Erneuerung des Lebens gelandet
war, und den Raben und die Taube, die aus ihr ausgeflogen waren, Symbole
der Straße und der Versöhnung." Alexander Puschkin, Reise nach
Arsrum.
Die Provinz, die den Namen des biblischen Berges trägt, ist die heißeste
und trockenste Armeniens. Sie steht ganz im Zeichen des riesigen Vulkankegels,
der einen sogar bis in die dichten Wälder des Chosrov-Nationalparks
am Nordostrand der Provinz verfolgt. Dennoch liegen in der wasserarmen
Provinz einige der alten Königsstädte, Artschat und Dvin, einst ruhmvoll
und weit über die Grenzen Armeniens bekannt, heute von Sonne und Wind
als vergessene Stätten geplagt, aber auch namhafte christliche Plätze
wie Chor Virap, die eng mit der Christianisierungslegende Armeniens
verbunden sind. Wenn man das laute und staubige Jerevan in richtung
Süden verläßt, um den Spuren der uralten, armenischen Königsstädte im
Ararattal zu folgen, kommt man bald in ein weites, trockenes Tal, das
einzig am Horizont durch den mächtigen Ararat und den fernen Sockel
des Araratmassivs begrenzt wird. Die gut befahrbare Schnellstraße M2
führt entlang von Wein- und Obstgärten, alten Fabriken und einsamen
Hirten mit ihren liebevoll gehegten Kühen und Schafen in die vergessenen
Reichshauptstädte des alten Armeniens.