Mode
aus der Sklavenhütte stürmt als Haute Couture den Elysee-Palast
Eine
Revolutionärin mit Nadel und Faden: Mit dem früheren Kleid der
Sklavinnen als Banner stürmt Modeschöpferin Doudou Dièz aus
Guadeloupe die Bastionen der Haute Couture. Erst errang sie bei der Wahl
der Miss Frankreich 2002 mit ihrem Kostüm für die Kandidatin der Insel
den Preis für die schönste Tracht, dann eroberte sie sogar den Palast
des französischen Präsidenten: Mit einem Modell aus Matratzenstoff...
Von Bernhard Grdseloff |
|
Geheimnis
der schönen
Kreolin
Nur
knapp verfehlte Miss Guadeloupe Sandra Bisson den Titel Miss Frankreich
2002. Doch auch als erste Kronprinzessin - so der Titel der
zweitplazierten - verkörpert die 20-jährige kreolische Schönheit in
Perfektion: Reizvolle Exotik gepaart mit französischer Eleganz und
europäischer Perfektion. Ein Abbild der Inseln: Nirgends sonst sind die
paradiesischen Zutaten der Karibik so fein angerichtet wie auf
Martinique und Guadeloupe. Doch
das ist nicht alles:“ Ein Teil des Geheimnisses ist unsere
raffinierte, traditionelle Kleidung und der besondere Schmuck“, verrät
Modeschöpferin
Doudou
Dièz. „Genau so wichtig ist aber unsere Art, uns zu bewegen,
die wir ‚Diézer‘ nennen“.
|
„Von
meiner Großmutter habe ich mit 15 Jahren ein Kleid geerbt, über 100
Jahre alt, noch aus der Zeit der Sklaverei", erzählt Dièz. „Ich
zog es an und war begeistert, wie es meine Art, mich zu bewegen, zu
gehen, vorteilhaft zur Geltung brachte." Für diesen
elegant-verführerischen Gang gibt es im kreolischen einen Ausdruck:
Diézer. Den machte sich die Modemacherin zu ihrem Künstlernamen und
zur Weltanschauung.
„Der
Reiz des kreolischen Kleides kommt vom raffinierten Schnitt: vorne frei
fallend und hinten tailliert, mit einer Falte von der Hüfte
abwärts", erklärt die gelernte Sekretärin, die nie eine
Ausbildung als Schneiderin genoss. „Eine Besonderheit sind die zwei
Gürtel, von denen es gehalten wird: Einer, der innen, hinter dem Stoff,
um den Bauch gebunden wird und ein zweiter außen von der Mitte zum
Rücken." Der Effekt: Das Kleid passt sich der Trägerin an, egal
ob sie zunimmt, abnimmt oder gar schwanger ist.
Bei
ihren Modellen orientiert sich Dièz an diesem Grundprinzip, läßt
ihrer Phantasie aber freien Lauf. In Anlehnung an die Sklavenzeit
experimentiert sie gerne mit einfachen, billigen Materialien. So
entstehen etwa aus Hanfsäcken aufwendige Variationen der „Coiffe",
der gebundenen kreolischen Kopfbedeckung.
In
Doudous kleinem Atelier in Baillif geht Guadeloupes Prominenz ein und
aus. So auch die Präsidentin des Regionalen Parlaments der Insel. Sie
bestellte ein Kostüm für ihren Antrittsbesuch im Elysee-Palast. Diéz
machte ihr eines: aus gestreiftem Matratzenüberzug. |
Modeschöpferin
Doudou Dièz: Sklavenkleid von Großmutter |